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Die Sprache der Dinge. Philosophie und Kulturwissenschaften im deutsch-russischen Ideentransfer der 1920er Jahre

 

Projektbeschreibung

 

Das Forschungsprojekt am Institut für Philosophie der Ruhr-Universität Bochum war einem bislang nur wenig erforschten Kapitel des deutsch-russischen Ideentransfers zwischen 1910 und 1930 gewidmet: der Wirkung der Staatlichen Akademie der Kunstwissenschaften (russische Abkürzung: GAChN) in Moskau. Das Projekt wurde von einem internationalen Forscherteam durchgeführt und vom Juni 2008 bis Juli 2011 von der Volkswagenstiftung unterstützt.

 

Die Staatliche Akademie der Kunstwissenschaften, die in ihrer kulturellen Bedeutung mit dem deutschen Bauhaus vergleichbar ist, bildete von 1921 bis 1929 den zentralen Ort der Diskussion um eine neue Bestimmung der Kultur- und Kunstwissenschaften in Russland.

 

Trotz der ideologischen Restriktionen der neuen Sowjetmacht konnte sich die Akademie im Laufe ihrer Aktivitäten jedoch als eine Wirkungsstätte autonomer Kulturforschung und theoretischer Reflexion behaupten, die die führenden Intellektuellen Russlands vereinigte. An der Gründung und weiteren Gestaltung der Akademie waren Philosophen, Kultur- und Kunstwissenschaftler, Künstler, Theater- und Musikleute wie Gustav Špet, Aleksej Losev, Vasilij Kandinskij, Konstantin Stanislavskij, Aleksandr Gabričevskij u.v.a. beteiligt.

 

Die GAChN wurde als eine Institution konzipiert, die die wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet der Kunst mit der künstlerischen Praxis und der Kunstpädagogik verbinden sollte. Ihre Organisationsstruktur, orientiert an der Vorstellung einer ‚Synthese aller Künste’, realisierte das Konzept einer Zusammenarbeit sämtlicher Wissenschaften, die sich mit der Kunst und Kultur befassen: Die Schwerpunkte der Forschung wurden in drei Abteilungen – der psychophysischen, der soziologischen und der philosophischen – konzentriert, denen zahlreiche Sektionen und Laboratorien untergeordnet wurden, die sich mit der Praxis einzelner Künste und der Literatur beschäftigten. Damit konnten nicht allein die historischen Kulturwissenschaften, sondern auch die Psychologie und die Naturwissenschaften vom Menschen in die Forschungsarbeit der Akademie einbezogen werden.

 

Dieses institutionelle Konzept sowie seine philosophische Fundierung entstanden im Zuge der Rezeption und einer intensiven Auseinandersetzung mit den deutschen Theoretikern, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts die autonomen Grundlagen der Forschung in den Geisteswissenschaften ausarbeiteten. Den wichtigsten Beitrag zu diesem Transferprozess hat der russische Philosoph und E. Husserl-Schüler Gustav G. Špet (1879-1937) geleistet, der den phänomenologisch-hermeneutischen Ansatz (Husserl, W. Dilthey, Dilthey-Schule), die an W. v. Humboldt anknüpfende Sprachphilosophie sowie Konzepte einer ‚allgemeinen Kunstwissenschaft’ (M. Dessoir, E. Utitz) für die russische Kulturwissenschaft fruchtbar machte. Von 1923 bis 1929 als Vize-Präsident der GAChN und als Leiter ihrer philosophischen Abteilung tätig, konnte Špet sowie der Kreis seiner Schüler und Mitarbeiter ein weit verzweigtes Netz an Forschungsaktivitäten entfalten, die der Diskussion und der Ausarbeitung der philosophischen Grundlagen der Kunst- und Kulturwissenschaften galten.

 

Diesen Transferprozess und seinen vielfältigen theoretischen Ertrag zu analysieren, war das Ziel des Forschungsprojekts. Im Mittelpunkt der Untersuchung stand die Wirkung von Gustav Špet und seines Schüler- bzw. Mitarbeiterkreise an der Philosophischen Abteilung der GAChN, der die wichtigste Rolle in der Formulierung einer theoretischen Basis für die Integration der kulturwissenschaftlichen Forschung zukommt. Die am Projekt beteiligten Forscher haben nicht nur Špets umfassend angelegte Grundlegung der Kulturwissenschaften untersucht, sondern auch ihre Anwendungen auf die verschiedenen Disziplinen der Kunstwissenschaften im Rahmen der GAChN rekonstruiert.

 

 

Bibliographie

 

Plotnikov N. (Hg): G. Špet, GAChN i intellektual'naja sreda 1920-ch gg. [G. Špet, GAChN und der intellektuelle Kontext der 1920er Jahre in Russland. Themenschwerpunkt]. In: Issledovanija po istorii russkoj mysli. Moskva. 8 (2006-07), 11–186

 

Plotnikov, N. Podzemskaia, N. Tchubarov I. (Hg.): Filosofija i nauki ob iskusstve. GAChN v istorii evropejskogo ėstetičeskogo soznanija [Philosophy and art studies. GAChN in the history of the European aesthetic discourse]. Special Issue of Journal “Logos”. 2010, Nr. 2

 

Plotnikov, Nikolaj (Hg.) (2014): Kunst als Sprache - Sprachen der Kunst. Russische Ästhetik und Kunsttheorie der 1920er Jahre in der europäischen Diskussion. Tagung zum Thema "Kunst als Sprache". Hamburg: Meiner (Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft Sonderheft, 12).

 

Plotnikov, Nikolaj Sergeevič; Podzemskaja Nadežda Pavlovna (Hg.) (2017): Iskusstvo kak jazyk - jazyki iskusstva. Gosudarstvennaja akademija chudožestvennych nauk i ėstetičeskaja teorija 1920-ch godov. Moskva: Novoe literaturnoe obozrenie.

 

 

Team

 

Projektleiter

 

Prof. Dr. Alexander Haardt, Forschungsstelle „Russische Philosophie und Ideengeschichte“, Ruhr-Universität Bochum

 

 

Projektkoordinator und wissenschaftlicher Mitarbeiter

 

Dr. Nikolaj Plotnikov, Forschungsstelle „Russische Philosophie und Ideengeschichte“, Ruhr-Universität Bochum

 

 

Forscherteam

 

Dr. Olesja Bobrik, Staatliches Institut für Kunstwissenschaft, Moskau

Dr. Igor Chubarov, Institut für Philosophie der Russischen Akademie der Wissenschaften, Moskau

Prof. Dr. Nikolaj Gavrjushin, Institut für Geschichte der Naturwissenschaft und der Technik der Russischen Akademie der Wissenschaften, Moskau; Moskauer Geistliche Akademie

Prof. Dr. Maria Candida Ghidini, Università degli Studi di Parma (Italia), Facoltà di Let-tere e Filosofia

Prof. Dr. Sergej Gindin, Institut für Linguistik an der Staatlichen Universität für Geisteswissenschaften, Moskau

Prof. Dr. Violetta Gudkova, Staatliches Institut für Kunstwissenschaft

Dr. Aleksandr Dmitriev, Staatliche Universität – Hochschule für Wirtschaft, Moskau

Prof. Dr. Aleksandr Dobrochotov, Staatliche Universität – Hochschule für Wirtschaft, Moskau

Dr. Nadja Podzemskaja, CNRS, Centre de recherche sur les arts et le langage, Paris

Dr. Julija Jakimenko, Unabhängige Forscherin, Moskau

Prof. Dr. Michela Venditti, Università degli Studi di Napoli «L’Orientale»